Professionals Choice 2x COOL ❄️ eine persönliche Mini-Studie

Gamaschen und Bandagen sind in der Reiterwelt immer wieder ein Gesprächsthema. Welches Equipment ist schöner, praktischer, sinnvoller? Diese Fragen werde ich hier nicht beantworten. Es geht mir um ein ganz spezielles Modell von Fesselkopfgamaschen, welches recht neu auf dem Markt und für Twister vielleicht interessant ist: die 2xCool Medicine Boots von Prof. Choice. Diese Trainingsgamaschen versprechen durch ein mineralhaltiges Textil eine geringere Wärmeentwicklung am Pferdebein, als herkömmliche Fesselkopfgamaschen. Dass Hitzestau im Bereich vom Röhrbein, wo empfindliche Sehnen relativ ungeschützt entlang laufen, schlecht für die Pferdegesundheit ist, ist bekannt. Aus diesem Grund hatte ich nach Twisters Sehnenschaden 2019 komplett auf jeglichen Beinschutz verzichtet.
Jetzt, wo er wieder voll reitbar ist und ich mit ihm vermehrt auch in fremdem Gelände unterwegs sein möchte, wird das Thema allerdings doch wieder interessant. In erster Linie geht es mir um einen guten Schutz vor äußeren Einflüssen, wodurch sich Twister unter Umständen verletzen könnte (z.B. unwegsames Gelände, Stöcke im Wald etc.), was es zu vermeiden gilt. Ich erwarte keine Stützfunktion des Pferdebeins und auch keine therapeutischen Effekte. Dafür gibt es andere Produkte, die für den jeweiligen Zweck hergestellt werden.

Hier mal eine Übersicht, mit welchen Gamaschen ich bereits Erfahrungen sammeln konnte:
(Alle Produkte habe ich selbst bezahlt. Hier ist nichts gesponsort.)

ICE Vibes by Horseware
Zweck: Therapie
Funktion: aktives Kühlen und Vibrieren
Material: Neopren/Elastan + Kühlpacks + Vibrationselemente

CeraTex Stallgamaschen
(ähnlich wie Back on Track)
Zweck: Therapie
Funktion: Wärmen durch Reflexion
Material: Keramikstoff inkl. Mineralien

StoneDeek Trainingsboots
Zweck: Training
Funktion: Stoßabsorption und Schutz vor äußeren Einflüssen
Material: Kautschuk

Prof. Choice 2xCool
Zweck: Training
Funktion: Stoßabsorption und Schutz vor äußeren Einflüssen
Material: spezielles Textil inkl. Mineralien

Im Detail möchte ich jetzt die Trainingsgamaschen von StoneDeek und die Prof. Choice 2xCool miteinander vergleichen und dabei gezielt auf die Temperaturentwicklung am Pferdebein eingehen. Zeitpunkt der kleinen Testreihe war Mitte November bei moderaten Außentemperaturen zwischen 6°C und 15°C. Insgesamt habe ich fünf Messungen jeweils nach der Arbeit mit Twister (Longe, reiten, Gelände) gemacht. Dabei hatte Twister immer zwei Gamaschen von jedem Hersteller an den Beinen, jeweils eine vorn und eine hinten.

Als Referenz habe ich auch ober- und unterhalb der Gamaschen die „normale“ Temperatur des Beins gemessen und daraus den Mittelwert gebildet, damit ich auch sehen kann, wie hoch die Temperatur ganz ohne Gamasche war. Als Werkzeug kam ein kalibriertes Thermometer zum Einsatz, welches einen Fühler hat, den ich problemlos unter die Gamaschen schieben konnte, ohne diese abnehmen zu müssen.

Zunächst: mit welchem Ergebnis rechne ich?
Dazu habe ich mir Gedanken darüber gemacht, wie diese Gamaschen prinzipiell funktionieren. Es gibt keine aktive Kühlung, wie z.B. bei den ICE Vibes, bei denen ein Kühlpack angebracht wird, welches deutlich kälter ist als die Umgebung. Bei den 2xCool soll laut Hersteller die Wärmeentwicklung durch eingearbeitete Mineralien verzögert werden. Also wird auf jeden Fall Wärme entstehen, jedoch angeblich nicht so viel, wie mit anderen Gamaschen. Als ich die Boots zum ersten Mal in den Händen hielt und sie auf der Innenseite berührte, spürte ich gut, dass sie sich kühler anfühlten, als andere Materialien. Jedoch könnte ich hier keine genaue Gradzahl nennen. Schätzen würde ich etwa 1 bis 2 Grad weniger, als meine Finger.
Spaßeshalber stellte ich die Frage an meine Instagram-Community: Welchen Temperaturunterschied erwartet ihr? Die Antworten reichten von 3 bis 8 Grad. Ebenso ungleich waren die Antworten bezüglich darauf, ob es sinnvoll ist, so teure Gamaschen anzuschaffen, wenn der Unterschied sehr klein ist (also weniger als 1 Grad).

Hier nun die konkreten, durchschnittlichen Ergebnisse der fünf Messungen:

BeschreibungMesswert
ohne Gamaschen20,8°C
vorne StoneDeek35,6°C
vorne 2xCool34,9°C
hinten StoneDeek35,4°C
hinten 2xCool34,6°C
Unterschied vorne0,7°C
Unterschied hinten0,8°C
Gesamtwärmeentwicklung
StoneDeek / 2xCool
14,7°C / 14,0°C
Unterschied
absolut / in Prozent
0,7°C / 4,8%

Mein persönliches Fazit in kurzen Sätzen:

JA, die Gamaschen 2xCool halten, was der Hersteller verspricht (geringere Wärmeentwicklung).
NEIN, aus medizinischer Sicht sind diese Gamaschen bei gesunden Pferden nicht notwendig. Bei Pferden mit vorausgegangenem Sehnenschaden vielleicht aber doch eine Überlegung wert.

Und jetzt für die interessierten Leser etwas ausführlicher 🙂

Wie man aus der Tabelle erkennen kann, entsteht unter den 2xCool 0,7 Grad weniger Temperatur, was weniger als 5% der Gesamtwärmeentwicklung entspricht. Die Erwartungen sind bei den meisten Anwendern deutlich höher, denn aus meiner Sicht ist der Name, der das Wort COOL enthält, reine Effekt-Hascherei. „Cool“ verbindet man doch eher mit Kühlschränken oder einer erfrischenden Dusche und weniger mit Mineralien, die die Wärmeentwicklung verlangsamen. Denn Wärme entsteht trotzdem. Es gibt keine aktive Kühlung mittels Kühlpacks oder zirkulierendem Wasser, welches die Wärme vom Pferdebein weg transportiert. Es ist ein passives System, was rein durch das verwendete Material funktioniert. Und genau deshalb finde ich es schon bemerkenswert, dass man bei diesen Gamaschen trotzdem einen Effekt messen und fühlen kann. Letzteres ist zwar eher subjektiv, aber ich selbst empfand den Unterscheid an Twisters Beinen beim Ausziehen der Boots deutlich spürbar. Wirklich!

Aber ist die Anschaffung der 2xCool wirklich notwendig?

Dazu muss man wissen, wie hoch die Temperaturen unter dem Beinschutz maximal sein dürfen, um die Beine nicht zu schädigen. Leider konnte ich keine echte Studie dazu finden. Nur folgendes:

In Humanstudien wurde festgestellt das Sehnen mit zunehmender Erwärmung an Leistungsfähigkeit verlieren. Geringe Erwärmungen sind durchblutungsfördernd und keinesfalls gefährlich.
Doch zu hohe Temperaturen, vor allem ab 60 Grad, können Gesundheitsschädlich für die Pferdebeine sein. Denn die Eiweißbindungen im Körper fangen bereits ab ca. 42 Grad an zu gerinnen.

https://www.equicrown.de/magazin/so-vermeiden-sie-hitzestau-am-pferdebein/

Ok, ich denke über die 60°C brauchen wir uns nicht zu unterhalten. Das wäre wirklich krass!
Aber die 42°C sind spannend und gut zu wissen. In meiner kleinen Testreihe konnte dieser Wert überhaupt nicht erreicht werden. Egal an welchem Bein, egal mit welcher Gamasche. Alle Werte lagen sogar unterhalb der normalen Körperkerntemperatur, die zwischen 37°C und 38°C liegen kann. Und das ist ein gutes Zeichen! Denn das bedeutet, dass man gefahrlos auch „normale“ Boots am Pferdebein verwenden kann. Zumindest bei Außentemperaturen bis etwa 15°C. Ich kann an dieser Stelle nicht sagen, ob sich das im Sommer anders darstellen würde. Aber es beruhigt doch ein bisschen mein Gewissen.

Da Twister einen ausgeheilten Sehnenschaden mit sich herum trägt, werde ich die 2xCool dennoch weiterhin bei Bedarf einsetzen. Denn für ihn ist mir jedes Grad weniger gerade recht, um seine Sehnen intakt zu halten 😉